Zwischen Labor und Laufbahn – Mein Sommer in NYC

Erstellt von Thilo Brill | |   Vereinsleben

Thilo Brill berichtet

Von April bis September bin ich diesen Sommer in New York. Nicht unbedingt ein Paradies für Läufer, aber ich bin auch nicht zum Laufen hergekommen. Ich laufe natürlich trotzdem, aber eigentlich mache ich hier ein Betriebspraktikum für mein Biochemiestudium in den Laboren des Population Councils. Gegründet von John D. Rockefeller III. (die Familie Rockefeller hat im Übrigen gefühlt halb New York gestiftet) widmet sich das Population Council als NGO (Non-Goverment Organisation) der reproduktiven Gesundheit (zugegeben, Reproductive Health klingt irgendwie angenehmer). Im Klartext heißt das: Man forscht an sexuell übertragbaren Krankheiten (in erster Linie AIDS), entwickelt Verhütungsmittel und versucht Konzepte zu erarbeiten, wie diese Dinge vor allem in Entwicklungsländern mehr Menschen zugänglich gemacht werden können.

Das Projekt, an dem ich arbeite, gehört zur absoluten Grundlagenforschung. Hier geht es darum, dass wir verstehen wollen, welche Faktoren und Gene einen Einfluss auf die Übertragung von HIV haben. Dazu wurde eine verhältnismäßig große Tierversuchsstudie an 31 Rhesusaffen durchgeführt, die einen vergleichbaren Virus namens SIV haben. Eine künstliche Mutation dieses Virus, kann in vielen Fällen als Impfstoff für die Tiere funktionieren. Um den Virus im Menschen zu testen, weiß man jedoch noch zu wenig über seine Funktionsweise und Wirkung. Er hilft uns jedoch u.a. zu verstehen, welche Gene für eine Übertragung bzw. dem Schutz davor wichtig sein könnten und somit erlangen wir ein besseres Verständnis über HIV und seine Übertragung. Soweit der Plan. Garantiert ist in der Forschung nichts.

Spätestens um 16 Uhr bin ich dann aber auch aus dem Labor raus und stehe an der Ostseite von Manhattan. Hier wohne ich direkt neben der Rockefeller Universität, wo auch die Labore sind, in der Upper East Side. Laut Wikipedia gilt es als das „das eleganteste und vornehmste Viertel New Yorks“. Das stimmt aus meiner Sicht nur bedingt. Je näher man an den Central Park kommt, desto vornehmer wird es tatsächlich. Direkt am East River, wo auch die Universität ist, ist jedoch der Einfluss des alten Geldes nur begrenzt zu spüren. Generell fällt es mir in New York auf, dass es an jeder Stelle mal dreckige Ecken geben kann. Da stapeln sich die Müllsäcke vor dem 5 Sterne Hotel, weil die Müllabfuhr wahrscheinlich im Verkehrschaos stecken geblieben ist oder rostiges Wasser aus einer Klimaanlage an der schmucken Fassade eines schönen, alten Stadthauses herunterläuft.

Die Klimaanlagen sind für mich einer der größten Unterschiede im Stadtbild (von den Wolkenkratzern mal kurz abgesehen). Sie sind allgegenwärtig und immer auf gefühlte drei Grad minus eingestellt. Außer in den U-Bahn-Stationen. Dort existieren sie praktisch nicht. Die U-Bahn ist für US-Verhältnisse großartig ausgebaut, als Berliner ist man jedoch verwöhnt und wundert sich gerne mal, wie es sein kann, dass man erst in den Süden fahren muss um an der Westseite Manhattans wieder in den Norden zu kommen. Genau das muss ich tun, um zum Stadion zu kommen, wo ich trainiere. Der „Central Park Track Club“ (CPTC), dem ich mich hier angeschlossen habe, hat mich sofort willkommen geheißen und mir schnell ein neues Zuhause für den Sport gegeben. Auch hier sind es die Enthusiasten, die das alles möglich machen, die sich engagieren und eine Atmosphäre schaffen, in der wir Athleten uns wohlfühlen können.
Der Club hier ist deutlich kleiner als der SCTF und hat keine Kinder- und Jugendarbeit Der CPTC ist nahezu  ausschließlich auf den Leistungssport ausgerichtet. Dadurch fehlt ein Großteil der Vereinsstruktur und das Familiäre, was ich an dem SCTF und der LG Nord so schätze. Natürlich hat dieser Fokus auch Vorteile, aber er ist auch nur möglich, weil Sport in den Schulen eine sehr große Rolle spielt. Ich habe zu wenig von dem hiesigen System gesehen, um mir eine Meinung zu bilden. Auf jeden Fall fehlt dadurch eine große Basis in den Vereinen und das würde ich mit Sicherheit vermissen.

Nun sind hier bereits meine letzten zwei Monate angebrochen. New York wird mir fehlen. Ich habe hier Freunde gefunden, viel Erfahrung gesammelt und Spaß gehabt. Aber auch die Stadt selbst wird mir fehlen. Die bunte Völkermischung, die hier zusammenlebt und floriert, sich beeinflusst und wieder etwas Neues kreiert und sich natürlich auch mal gegenseitig das Leben schwer macht. Es ist schwierig das Erlebte in Worte zu fassen, die Unterschiede zu erklären und ich bin mir sicher, wer selbst für einige Zeit hier lebt wird es anders erleben.

Bis bald,

Thilo

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